Sonntag, 4. Dezember 2011, 23:03 - 23:59, Ö1
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KUNSTRADIO - RADIOKUNST






“Tuner”

von Anna Friz

Live aus Wien


A COPY OF THIS PROGRAM CAN BE ORDERED FROM THE "ORF TONBANDDIENST"
Als sowohl für den Massenmarkt wie auch für den Massenempfang entwickelter Apparat fordert ein Rundfunkempfänger zu einer kleinen narrativen Aufzählung seiner sich im vergangenen Jahrhundert ständig verändernden Bedeutung geradezu heraus: Ich bin die Zukunft, ich bin mobil, ich bin jung, ich bin eine Verbindung zur Welt, ich bin eine Sicherheitsvorkehrung, ich bin billig, ich bin alltäglich, ich bin unsichtbar, ich bin obsolet.... Ähnlich entspricht auch die Gestaltung jeder Skala der Wellenbereiche und Sender auf Rundfunkapparaten  einer Ideologie des Radiospektrums, die Zeit als Frequenz und Raum als Territorium versteht. Manche Skalen ordnen Städtenamen linear als Listen an, andere sind rund und erinnern eher an Radar und die Präszision von Atomuhren.

Die  Live Performance “Tuner” besteht aus einer Folge kurzer Musikstücke und Events, in denen das Graphikdesign Skala von Radios als Partitur verwendet wird. Radios sind in der Kunst immer wieder als Instrumente verwendet und gespielt worden und verleihen dabei auch kurzen performativem Momenten ein starkes Element von  Cage`scher indeterminancy – man denke z.B. an George Brechts “Candle Piece for Radios” von 1959. Was aber verrät uns ein Radio, wenn es  selbst die  Partitur bildet?









Als Rahmen und Thema der heutigen Kunstradio Live Performance dient ein Sample des amerikanischen Kurzwellensenders WWV,  der seit 1923 der  Verbreitung von Zeitsignalen gewidmet ist, seit 1967 wird die Coordinated Universal Time (Greenwich Mean) gesendet. Seinen Sitz hat WWV in Fort Collins, Colorado, in der Nähe des Labors, das die nationalen Standards für Zeit und Frequenzen der USA pflegt, WWV überträgt derzeit Zeit nach einer Cäsium-Atomuhr, bzw Zeit, die vom regelmäßigen Zerfall des Isotops Cäsium-133 bestimmt wird.

"Für den heutigen Abend habe ich mich entschieden die Skalen eines Elektronenröhrenradios (1953) und von zwei Transistorradios (Mitte der 1960er Jahre) als Partituren zu interpretieren. Nicht zufällig sind diese Radios Produkte der Nachkriegswirtschaft, deren Design Präzision, Sicherheit und ein wenig technische Raffinesse für den privaten Wirkungsbereich verspricht. Diese Stücke, die ich performe, basieren auf diesen Skalen, sie sind improvisierte Studien, die zu einem größeren Komplex von Arbeiten gehören, die sich mit dem Radio und der Zeitmessung auseinandersetzen. So lese und interpretiere ich für diese Arbeiten die Radio-Skalen in Bezug auf die Frequenz oder in Bezug auf den Grad des Geschehens."

Aber sogar gegen die Präzision der Atomzeit bewegen sich Ereignisse weg von der Regelmäßigkeit und Musikalität ist sowohl in den begleitenden Tönen, als auch in der Landschaft der atmosphärischen Störungen, die für alle klanglichen Details jederzeit eine Bedrohung darstellt, versteckt.
Wie soll die Radioskala gelesen werden? Jemand zählt, jemand hält sich an die Partitur: etwas passiert, und dann passiert etwas.
 
(Anna Friz)


“Tuner” ist der Beitrag des Kunstradios zur “Ars Acustica Concert Series” der EBU.



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