Sonntag, 09. August 2020, 23:03 - 0:00, Ö1

[ ENGLISH ]

RADIOKUNST - KUNSTRADIO




Videostill: The Beauty and the Beat © Sopheak Sao


Prix Palma Preisträgerinnen

1) „PHNOM PENH FM: RE / DISC / OVER“ von Sopheak Sao
2) „Ror-bu“ von Veronika Svobodová


Prix Palma Ars Acustica heißt ein Radiokunstpreis, der jährlich von der Ars Acustica verliehen wird und der die Produktion und Verbreitung von Radiokunst fördern will. Ars Acustica ist eine Gruppe von Radiokunst-Redaktionen und freien Radiomacherinnen innerhalb der Europäischen Rundfunkvereinigung EBU. Die Mitglieder können jeweils eine neue Produktion einreichen; die Jury tagt bei der jährlichen Versammlung der Ars-Acustica-Gruppe.

Heuer wurden zwei erste Preise vergeben, und einer von ihnen ging an eine Kunstradio-Produktion, nämlich „PHNOM PENH FM: RE / DISC / OVER“ von Sopheak Sao. Außer der kambodschanischen Filmemacherin und Radiokünstlerin darf sich auch die tschechische Künstlerin Veronika Svobodová freuen – und zwar nicht nur über die Prämie von zusammen 2.000 Euro, sondern auch über die Verbreitung ihrer Radiokunst-Werke, denn diese werden von allen Ars-Acustica-Radios gesendet und sind somit europaweit zu hören.


1) „PHNOM PENH FM: RE / DISC / OVER“ von Sopheak Sao




PLAY


Unter der rassistischen Herrschaft der Roten Khmer wurden Ende der 1970er Jahre um die zwei Millionen Menschen in Kambodscha ermordet; die Bevölkerung wurde verfolgt, vertrieben und ihrer Zukunft beraubt. Vier Jahrzehnte nach dem Genozid, auf den ein jahrelanger Bürgerkrieg folgte, erhebt sich Kambodscha langsam aus dem kollektiven Trauma; eine junge Generation an Künstlerinnen, Musikern, Radioleuten und Filmemacherinnen belebt die seit dem historischen Bruch brachliegende Kulturlandschaft. Ein Drehpunkt des kulturellen Lebens in Phnom Phen ist heute das Meta House, ein Deutsch-Kambodschanisches Kulturzentrum, das sich auch zeithistorischen Thematiken widmet. An einem Abend im März 2019 performte dort die Dokumentarfilmerin Sopheak Sao; basierend auf dem Live-Mitschnitt entwickelte sie ein Hörstück mit dem Titel „PHNOM PENH FM: RE / DISC / OVER“.

Sopheak Sao will durch ihre künstlerische Arbeit aufmerksam machen auf ihr Heimatland und dessen Kampf für Frieden und Demokratie in den letzten vier Jahrzehnten, mit besonderem Augenmerk auf die Frauen. Anlässlich der Auszeichnung mit dem Prix schrieb sie: „Ich freue mich sehr, mit dem diesjährigen Palma Ars Acustica ausgezeichnet zu werden.
Als Künstlerin und Medienproduzentin bin ich stolz auf meine Arbeit.
Als kambodschanische Frau hoffe ich, dass meine künstlerischen Arbeiten mehr Menschen weltweit aufmerksam auf mein Heimatland und seinen Kampf für Frieden und Demokratie während der letzten vierzig Jahre machen. Ich möchte, dass wir uns an meine Schwestern, die nicht so weit gekommen sind wie ich erinnern. Wir sind eine neue Generation von Müttern und Töchtern, die nicht aufhören werden, uns für die Gleichstellung der Geschlechter und Frauenrechte zur Beseitigung von häuslicher Gewalt, sexueller Belästigung und andere soziale Probleme einzusetzen.
Ich danke den österreichischen und europäischen Zuhörerinnen und Zuhörern sowie der Jury des Palma Ars Acustica für die Verstärkung meiner Stimme, die nun in der ganzen Welt gehört werden kann.“

Für Marcus Gammel, als Leiter der Abteilung Radiokunst bei Deutschlandfunk Kultur auch Mitglied der Prix-Palma-Jury, war Sopheak Sao die große Entdeckung im Wettbewerb der Palma Ars Acustica 2020:
„Da kommt jemand mit einem Background im Dokumentarfilm mit starken Stories im Hintergrund, mit einer Lebenserfahrung aus einer Welt, die uns oft nicht so bekannt ist oder nur durch Klischees bekannt ist. Über Kambodscha kennt man die schrecklichen Geschichten des Genozids der Roten Khmer, man weiß aber weniger über die Entwicklung des Landes in den Jahren davor und in den Jahren danach, und Klänge aus diesen Entwicklungen führt uns Sopheak Sao in ihrem Hörstück behutsam vor Ohren. Ich kann mich einhören in eine Welt, die fremd klingt, aber aus der ich vertraute Gesten wahrnehme, aus der ich popkulturelle Bezüge zu unserer Gegenwart, aber auch der europäischen Vergangenheit wahrnehme und bei der ich immer mehr Lust bekomme mich weiter damit zu beschäftigen. Toll finde ich auch, wie das Stück komponiert ist, dass die Künstlerin nicht der Versuchung unterliegt die Zutaten ihrer Kollage bis zur Unkenntlichkeit zu verarbeiten. Die Materialien sind immer auch in ihrer Körnigkeit, in ihrer Zeitlichkeit erkennbar und bilden trotzdem einen starken musikalischen Bogen.“

Entstanden ist diese Radiokunstarbeit im Rahmen des Projektes „re/dis/cover“, das von der österreichischen bildenden Künstlerin Gertrude Moser-Wagner in Kooperation mit der Medienwerkstatt Wien, dem Weltmuseum Wien und dem Meta House Phnom Phen, unterstützt durch das Goethe Institut, initiiert wurde.


2) „Ror-bu“ von Veronika Svobodová




PLAY


Das zweite Siegerstück des von der Radiokunst-Gruppe Ars Acustica ausgelobten Wettbewerbs Prix Palma heißt „Ror-bu“, eine Produktion des Tschechischen Rundfunks, von der Künstlerin Veronika Svobodová. „Ror-bu“ stellt eine akustische Erfahrung des Aufenthalts in einem alten Fischerhaus namens Kråkeslottet (d.h. Krähenschloss) dar, das sich ganz am Rande des Ufers der norwegischen Insel Senja hinter dem Polarkreis befindet. Es handelt sich um ein traditionelles Fischerhaus, das viele Jahre lang als Fischverarbeitungsbetrieb genutzt wurde. Die Radioarbeit umfasst Feldaufnahmen, die während einer Zugfahrt und während eines einmonatigen Aufenthalts auf der Insel und in dem heute kulturell genutzten Fischerhaus gemacht wurden. Strickmaschinen aus einem Schnurmuseum, das Schiff Polaris, ein Spaziergang am Strand, heulender Wind, gefrorener Regen, Hagel, knarrende Treppen, eine Aufnahme eines alten Klaviers und anderes.


Links:
Prix Palma Ars Acustica 2020