Sonntag, 10. Dezember 2023, 22:05 - 23:00, Ö1

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RADIOKUNST - KUNSTRADIO










Break Eden. Gesänge von Sirenen

von Lisa Spalt und Clemens Gadenstätter



„Break Eden. Gesänge von Sirenen“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Autorin Lisa Spalt und des Komponisten Clemens Gadenstätter. Uraufgeführt wurde es live am 29. November 2023 in der Alten Schmiede im Rahmen des Festivals Wien Modern. „Break Eden. Gesänge von Sirenen“ unternimmt in fünf Songs mit Zwischentexten eine Revision der Paradieserzählung von der Gegenwart her.

Michel de Certeau spricht in seinem Band "Die Kunst des Handelns" unter anderem von städtischen Strukturen: Sie werden von höherer Stelle geplant und errichtet. Die Bevölkerung nutzt sie jedoch oft auf ganz unerwartete Weise. So wird das Trennelement der Mauer zur Sitzgelegenheit umgedeutet und dadurch ausgerechnet zum Ort der Begegnung.

Der Titel "Break Eden" verweist auf solche Taktiken der Aneigung. Ein Bau- und Gartenparadies, dessen wirtschaftliche Rentabilität am "Break-even-point" erreicht wäre, wird umfunktioniert – mehr oder weniger rückbezogen auf den eigentlichen Gedanken des ultimativen Ortes der Sehnsucht. Im Sinne einer Bricolage versammelt der Text alte Rezepte und Ordnungen, indem er Zitate Hölderlins, Shelleys, Boccaccios und vieler anderer verwurstet und sie wie die Pfefferschote durch das Gericht der Gegenwart schleppt. Die Musik steigt, Material aus den Texten saugend, ein. So zieht das Publikum im Stück den einsamen Dichter durch die Mähmaschinenausstellung, dokumentarische Klänge, die der Text vorschlägt, werden durchs feine Gewebe der Keyboardstimme gesiebt, die Grenzen zwischen natürlichem und gefaktem Singen verschwimmen wie die zwischen Mensch und Produkt, Elektronik und Pflanze. Auch Zeitstrukturen werden aus der Sprache extrahiert, um das Gerippe für Musik zu bilden, die sich an den so ganz anderen Rhythmen des Sprechens bricht, und dieses beschwört frech zwei englische Hausfrauen als (unfreiwillige) Erfinderinnen des photosynthetischen Menschen. Schließlich geraten als eine Art Live-Einbruch von Realität die Stimmen des Pianisten und der Autorin in die Text-Gestaltung der Sängerin. Wie spät ist es? Wir haben Gegenwart. Wir tun, was wir können, um in der Erzeugung dieses Paradieses zusammenzuwirken, und zwar mit dem Slapstickhumor derer, die nur noch versuchen können, in einer selbst eingebrockten Situation ein Minimum an Würde zu bewahren. Bruch und Verschmelzung sind als Pole desselben nicht zu trennen.


  • Text und Stimme: Lisa Spalt
  • Komposition: Clemens Gadenstätter

  • Gesang: Anna Clare Hauf
  • Keyboard, Stimme & Elektronik: Ernst Surberg

  • Ton: Manuel Radinger und Martin Leitner
  • Regie: Clemens Gadenstätter

  • Produktion: ORF Kunstradio 2023