SONNTAG, 14. März 2010, 23:03 - 23:45, Ö1
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KUNSTRADIO - RADIOKUNST


 


„informelles radio“ – live aus der Straßenbahn

Mit Projekten von Kathrin Stumreich, Viktoria Wöß, JoaKnierzinger, Mara Bloom, hpl,
Johannes Muik, Daniel Gyolcs, mths, Miriam Moné, Conny Zenk,
Karl Salzmann, Jan Perschy, Conny Zenk + mths


Ein Projekt von Studenten und Studentinnen der Digitalen Kunst unter der Leitung von Nicolaj Kirisits und Klaus Filip.

Eine Kooperation der Universität für Angewandte Kunst mit dem ORF Kunstradio und folgenden Radiostationen:

FM4 – „Die graue Lagune
orange94.0 (Wien)
Radio Helsinki 92,6 (Graz)
Radio Freirad 105,9 (Innsbruck)
FRS - Freies Radio Salzkammergut
MiRa Campusradio 94,4
(St. Pölten)
Freies Radio B138 90,4 (Krems)
Radiofabrik 107,5 (Salzburg)


Links:
Digitale Kunst / Angewandte
Foto-Reportage auf der Fanpage der Wiener Linien
Diskussion auf der Fanpage der Wiener Linien

Ö1

FM4


A COPY OF THIS PROGRAM CAN BE ORDERED FROM THE "ORF TONBANDDIENST"


In der Nacht des 14. März 2010 fuhr eine zum Ausstellungsraum und Radiostudio umfunktionierte Straßenbahn durch Wien. Bestückt war sie mit Installationen von Studierenden der Digitale-Kunst-Klasse der Angewandten: eine ULF-Garnitur voll mit Kabeln, Lautsprechern, Mischpulten und Computern, aber auch mit aufblasbaren Skulpturen, einer Schaukel, einem Geschirrschrank und zwei Waschbecken – und hintennach flatterte ein Zwirn durch die Stadt.

Organisiert wurde das Projekt von Nicolaj Kirisits und Klaus Filip. Kirisits sagt über den Ursprung des Konzepts einer im Radio hörbaren Ausstellung in Bewegung:

 Nicola Kirisits


Wer nicht an einer der sechs Stationen auf der Spezialroute Alser Straße-Schottentor-Schwedenplatz-Südbahnhof-Schwarzenbergplatz zusteigen konnte, hatte die Möglichkeit, das „informelle radio“ im Radio zu verfolgen, idealerweise mit drei Stereo-Geräten, als mehrkanalige Live-Übertragung.



Die Straßenbahn wird zum Ausstellungsraum, dessen Bewegung als Verweis auf zwölf zeitbasierte Arbeiten, die im Inneren von Studierenden der Abteilung Digitale Kunst aufgebaut sind, dient. Die Stationen bei denen das Publikum ein- und aussteigen kann, gliedern die Fahrt in zeitliche Abschnitte. Abgebildet wird diese performative Ausstellung durch sechs akustische Perspektiven, die live via Radio übertragen werden. Durch die Bewegungen von sechs Mikrophonen im Ausstellungsraum wird das Gehörte als Material für eine zeitbasierte Raum- Dekonstruktion in einer Radio-Mehrkanalinstallation erlebbar.
Im privaten Raum der RadiohörerInnen wird das Aufspannen einer multiperspektivischen Hörsituation gefordert.

Man nehme drei Radios, am besten alle Stereo. Jedes Radio wird auf einen anderen Sender eingestellt:
  1. Ö1
  2. FM4
  3. ein freies Radio: (orange94,0 in wien, radio helsinki 92,6 in Graz, radio freirad 105,9 in Innsbruck, FRS freies radio im salzkammergut, MiRa Campusradio 94,4 in St.Pölten, Freies radio B138 90,4 in Krems und Radiofrabrik 107,5 in Salzburg)
  4. Man verteile die drei Radios im Raum.

 
Ausgangspunkt war der Betriebsbahnhof Hernals, wo die Radio-Straßenbahn planmäßig um 23 Uhr abfahren sollte. Die Installationen, im folgenden genauer beschrieben, waren bereits in Betrieb – doch die Straßenbahn fuhr nicht los. Grund war eine Überlastung des Stromnetzes, und Folge war, dass sich die Garnitur erst gegen 23.20 Uhr ruckelnd in Bewegung setzte. Bei der ersten Station, Alser Straße, stiegen mehrere Dutzend Gäste zu – es wurde eng in der Radiostraßenbahn.



Die Radio-Übertragung hatte unterdessen bereits begonnen. Sechs mit Ansteckmikrophonen versehene Menschen bewegten sich hintereinander und mit Abstand durch den gesamten Waggon. Am hinteren Ende beginnend, gingen die Mikrophonträger nach vorne durch, stiegen bei jeweils einer Station aus, liefen zurück und stiegen bei der hintersten Türe wieder ein. Die ersten zwei Mikrophone lieferten die Bespielung der Ö1-Kanäle, die zweiten beiden jene für FM4 und die Mikrophone 5 und 6 speisten die Programme der Freien Radios.



Am im Wagenende installierten Mischpult war Tonmeister Martin Leitner, weiters an Bord waren auch die ORF TontechnikerInnen Susanne Wirtitsch und Hannes Stern.

Hannes Stern erklärt die technische Realisierung der Live-Sendung aus der fahrenden Straßenbahn: „Wir funken die Einzelkanäle über drei Stereosender Richtung Kahlenberg. Dort befinden sich seit neuestem drei Stereo-Empfänger, die ins ORF Funkhaus per El-net, einer digitalen Leitung, geliefert werden und dann über den HKR, den Hauptkontrollraum im Funkhaus Wien, auf die Programme verteilt werden. Wir haben natürlich für jeden Sender eine Antenne, sprich es sind am äußeren Rahmen der Straßenbahn drei Antennen verteilt. Diese sind über Kabel an die Sender angesteckt, und die Eingänge der Sender hängen am Mischpult. Wir haben eine Probefahrt mit einem SR20, einem Mono-Gerät mit 2 Watt Leistung gemacht, kreuz und quer durch Wien, was eigentlich erstaunlich gut funktioniert hat. Die Sendefrequenzen liegen um die 230 Megahertz. Die für die Live-Sendung verwendeten Sender haben jeweils bis zu 16 Watt. Bis jetzt war Funk immer mono – Stereo funktioniert es so: man muss die zwei Kanäle einmal addieren und einmal subtrahieren, damit daraus eine Multiplex-Frequenz generiert wird. Diese Modulation wird an den Sender geschickt, und dieses Frequenzgemisch kann man dann am Empfänger wieder durch Subtraktion und Addition in die zwei Kanäle umwandeln. Technisch war das bisher schon möglich, nur hatten wir die Geräte nicht. Die wurden erst vor drei Jahren entwickelt.“




Kathrin Stumreich // DER FADEN // http://www.kathrinstumreich.com

Kathrin Stumreich


„Die Spur legen, die Bewegung in Abhängigkeit und das Audiotracking einer fast unsichtbaren Materialität, die genauso gut als Ausrede benutzt werden kann, um irgendetwas zu hören. Die Fadenführung legt eine räumliche Trennung und Geometrie fest, die vom Auditiven gesucht wird. Eine Fadenspule spult sich mit der Geschwindigkeit der Straßenbahn ab, und wickelt die Stadt ein. Die Mikrophone folgen der im Raum vorgelegten Spur des Fadens. Eine auf Mutmaßung basierende Vorstellung einer Akustizität wie sie durch Verschiebung der aneinandergrenzenden Materialitäten erwartet werden könnte. Parallele akustische Eigenphantastereien werden nicht ausgeschlossen.“


 

Viktoria Wöß // schaukel

Viktoria Wöß


„Eine quietschende Schaukel wird an einer Haltestange der Straßenbahn befestigt und der Schaukelnde durch die Beschleunigung und das Abbremsen des Fahrzeuges in Bewegung versetzt. An die Schaukelaufhängung wird ein Piezomikrofon geklebt und das Geräusch verstärkt.“


 

joaknierzinger // toilettophone // http://joak.nospace.at/

joaknierzinger

 
„von toni polster bis peter weibel jede/r benuetzt es – das abwassernetz. es ist nicht nur interessant in seiner architektur, wo es uns an eine bus-tropologie erinnert, sondern vielmehr interessant ist es als kommunikations medium zuverwenden! deswegen siphon entleeren, verstaerker aufstellen und durchs netz mit dem nachbarInnen reden oder anders gesagt
duchamp zitat erweitert mit kommunikationsmedium weils dem "you" nur um den kontext geht.“


 

Mara Bloom // monolog einer straßenbahnreisenden

„’schade das es keinen negativen ton gibt, den ich entgegensetzen könnte, keine deckende stille, die ich um mich malen könnte also brauche ich wohl dieses gedankenschutzschild, diese gedankengebäude und landschaften, diese welten in meinem kopf, die nur mein sind. und mir gehorchen um meine vollständigkeit zu wahren, um ganz zu bleiben.
die straßenbahn fährt weiter, vorbei an all dem was war. zu dem was kommen wird. auch wenn all dies da draußen ja schon längst nicht mehr vergangen sonder stetig ins Jetzt schlüpft.
es ist als würde die zeit die welt mit kaum sichtbaren lagen realität überziehn, die nur die sehen können, die schon so lange und aufmerksam diese strecke entlang fahren oder gehen oder stolpern. immer wieder und immer wieder. jeden tag liegt einer neue kaum merklich andere realität über der alten. die die alten niemals überdeckt und dennoch anders ist.
platz meinen blick auszustrecken und in die ferne reisen zu lassen. durch die straßenbahn hindurch, nach draußen hinaus, die straße entlang, durch die gassen hindurch, über die dächer hinweg, über die plätze, gärten, brachen, kreuzungsschlachtfelder, industrieverbrechen, betonwüsten und nacht.
endlich platz. platz meine gedanken darüber wachsen zu lassen.
wir städter verlieren immer wieder den bezug zur realität.’
 
Im Zentrum steht der Monolog eines Fahrgasts, der die Gelegenheit der Radioübertragung nutzt um Aspekte seines Alltags und damit des Lebens an sich im Lichte der Straßenbahn an die Öffentlichkeit zu tragen.
Der Text wird mittels eines alten Radios abgespielt. Die Autorin haltet schweigend das Abspielgerät. Nur ihre Augen sprechen.
Die Straßenumgebung, der selbstverantwortliche Alltag steht im Gegensatz zum bewegten geborgenen traveller’s space der Straßenbahn, in dem temporär die Verantwortung an den Zugführer übergeben wird. Der Schritt als Maß aller Dinge wird durch schwebende Zeitlosigkeit in Vergessenheit gedrängt.“




HPL // elektrostimmen

hpl

 
„Das Unerwünschte zum Erwünschten erheben und  sich daran erfreuen. Die technisch nicht gewollten Störfrequenzen der ULF Antriebseinheiten werden eingefangen und in einer Mehrkanal Klanginstallation dem Publikum zur Verfügung gestellt. Die Antriebe werden zum Instrument, gespielt durch die Dynamik des Fahrantriebes sowie der Auswahl und Platzierung der Sensorik.“
 



Johannes Muik // mängel gegenstände hängen // http://www.muiki.mur.at

„mängel gegenstände hängen ist eine Komposition für fünf Küchenradios welche an einer Schnur befestigt sind und über den sitzen der Straßenbahn hängen. Jeder dieser mit Batterien betriebenen Radios empfängt ein FM-Signal auf unterschiedlichen Frequenzen von einem jeweils dazugehörigen selbstgebauten Transmitter.
Durch die geringe reichweite und der minderen Übertragungsqualität der selbstgebauten Transmitter, wird die komposition in ihrer Wiedergabe beeinflusst. Unterstützt wird dies durch manuelles drehen der Radios.“



 
Daniel Gyolcs // Radio#maT
 

 Daniel Gyolcs


„Wird es im Jahre 2030 noch Fahrscheinentwerter geben, oder ist in naher Zukunft die Menschheit bereits digital mit einem "öffentlichen Netzwerk" verbunden???
Gebrauchsanweisung: Man nehme eine "Fahrkarte-informelles radio" gebe diese in den Kartenslot, und der Radio#mat erzeugt aus einem Radio-Signal und einer Software neue Sounds. Diese werden mittels Oszilloskop/Bildschirm visualisiert, und über einen Radiolautsprecher hörbar gemacht.“


 
 
mths // radio feedback // http://mtks.tumblr.com

mths


„Das gesendete Signal wird mit Mikrofonen vor einem Radio abgenommen und das dabei entstehende Feedback mit einem Audio Mixer manipuliert.“
 



Miriam Moné // schienenlieder

Miriam Moné

 
“Wherever we are, what we hear is mostly noise. When we ignore it, it disturbs us. When we listen to it, we find it fascinating’ (John Cage, 1961, p.3).

On one hand, many people have come to fear silence: even the supposed absence of sound is disturbing and needs to be suppressed under a carpet of sound. On the other hand, the omnipresence of music has markedly reduced our tolerance towards ‘other’ sounds, towards noise. Is another relationship with noise conceivable? As one of many composers, John Cage has sought to open our ears to ‘non-musical’ sounds in his compositions. According to Cage, the qualification of sounds as non-musical or noise is not so much related to intrinsic sound properties as it is to our attitude towards sounds that we do not instantly consider to be musical. When we pay attention to sounds that we usually prefer to ignore - the same attention we reserve for musical sounds - we might experience these sounds as far less disturbing. The more one realizes that the sounds in our environment are musical, the more music there is."
(Marcel Cobussen)

beim projekt "schienenlieder" handelt es sich um eine art "umgebungschor", der die geräusche in der strassenbahn aufgreift, immitiert - akzentuiert - ergänzt und interpretiert.
gemeinsam mit den teilnehmern, die bis auf ein, zwei ausnahmen nicht professionell mit ihrer stimme arbeiten, zum teil jedoch einen musikalischen background im bereich improvisation und neue musik aufweisen, wurde in ansätzen eine art vokabular und ein gewisses framework entwickelt, in dem auf die auditiven aspekte der strassenbahn reagiert wird. man kann also sagen, dass der tatsächliche dirigent die tramway selbst ist.
einerseits stellt es für die vokalisten eine direkte auseinandersetzung mit einer bestimmten umgebung dar, welche sich sowohl in der ausdifferenzierung der klanglichen ereignisse als auch in der erforschung von mustern und abläufen, schichtungen und variationen äussert. eine sensibilisierung findet statt, der hörsinn tritt in den vordergrund, alltägliche situationen eröffnen sich den mitwirkenden in neuen facetten. normierte verhaltensweisen werden abgelegt und die schultern werden locker, nach der ersten überwindung in der öffentlichkeit der strassenbahn zu singen, krächzen und zu poltern, liegt die annahme nahe, dass das leben viel zu kurz ist, um ängstlich zu schweigen.“

mitwirkende personen:

• bernhard schöberl / musiker
• luke matthews / reisender
• bernd klug / musiker
• gloria damijan / musikerin
• nina divitschek / photographin
• claudia bliesener / projektmanagerin, übersetzerin
• eloui / musikerin
• peter scharmüller / medienkünstler
• manon bancsich / musikerin
• sarah foetschl / philosophin
• katrin hauk / musikerin
• heike kaltenbrunner / medienkünstlerin




Conny Zenk // ▀▀  ▀▓▓▀╘════

Conny Zenk





Conny Zenk + mths // aufblasbar // http://gaffabandl.wordpress.com

„Es werden Dreiecke gefüllt mit Luft in die Straßenbahn gestellt. Ihre Größe misst über 2 Meter, so funktionieren sie als Maßstab, Raumteilung und Hindernis.“




Karl Salzmann // Transport³ // http://www.karlsalzmann.com

 Karl Salzmann


 „Die Straßenbahn selbst und Aufnahmen diverser Transportmittel bilden das klangliche Ausgangsmaterial der Komposition. Während der Fahrt wird mit vorhandenem improvisiert und die formale Struktur weiter entwickelt. Wie auch die Straßenbahn selbst, begibt sich in „Transport³“ der Klang auf die Reise. Vom anfangs semantisch auf den Kontext verweisenden, hin zur reinen Klanglichkeit. Eine Umkehrung der Geschichte – von Soundscape zurück zur Musique concrète. Der Transport des Transports erfolgt mittels mehrerer Lautsprecher, die an den hängenden Haltegriffen der Straßenbahn montiert sind.“




Jan Perschy // hot bin // http://janperschy.com


 Jan Perschy


„Untersuchung des Ansprechverhaltens von Küchenkasten voll mit Geschirr. Impulsweise wird eine Schwingung auf den Küchenkasten übertragen, diese Schwingung pflanzt sich durch das Geschirr fort. Zwischen den Impulsen wird die Nachschwingung des Geschirrs durch ein Mikrofon aufgenommen und verarbeitet. Ist aus dem Ergebnis die Anzahl der Teller und/oder Tassen interpretierbar?

Ein Experiment von Jan Perschy in Kooperation mit dem Küchenradio.“
 

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