Am Dienstag ist der bedeutende Medientheoretiker und
Literaturwissenschaftler Friedrich Kittler in Berlin verstorben. Seine
Ideen und Theorien beeinflussten viele Künstlerinnen und Künstler, die
mit neuen Technologien und Medien arbeiten. Kittler hat immer wieder
mit dem Kunstradio bzw. mit dem Verein Transit, der in den 1990er
Jahren komplexe Medien- und Radiokunst-Projekte durchführte,
zusammengearbeitet. Dazu gehört auch das außergewöhnliche
Gruppentreffen „Besuch in S.“. Das Schweizer Künstlerduo Bruno Beusch
und Tina Cassani lud ein Dutzend Kuratoren, Künstlerinnen,
Radiomacherinnen, Tonmeister und Theoretiker – darunter eben auch
Kittler – folgten der rätselhaften Einladung von Beusch/Cassani an
einen Ort irgendwo in Westfrankreich zu kommen, um sogenannte T.sche
Bestände zu besichtigen. Die T.schen Bestände, so stellte sich in S.
heraus, gab es so gar nicht, stattdessen lief das gesamte, verregnete
Wochenende lang das Tonband mit. Die Aufnahmen der Gespräche, die sich
an dem geheimnisvollen Ort S. entwickelten, sowie Zeichnungen von Tina
Cassani, flossen dann in ein Buch, eine CD, Ausstellungen und
Radiosendungen im Schweizer, im Französischen und im Österreichischen
Rundfunk ein. Zur Präsentation in der Wiener Secession erschien ein
akustischer Führer durch eine 40-minütige Ausstellung. Aus dem
größtenteils beim „Besuch in S.“ aufgenommenen Material, das die
Besucher über Walkmen und Kopfhörer hörten, mischten Beusch und Cassani
am 19. November 1992 eine Live-Sendung fürs Kunstradio. Zu hören sind
die Stimmen von Friedrich Kittler, Stefan Heilmann, Adolf Krischanitz,
Robert Fleck, Armin Heusser, Heidi Grundmann, Gerhard Wieser, und
anderen Besuchern.

Ausschnitt, Dauer: 3 Minuten
Die Kunstradio-Gründerin Heidi Grundmann hat aus Anlass des Ablebens
des Theoretikers für kunstradio.at einen Nachruf verfasst mit
persönlichen Erinnerungen an gemeinsame Projekte, wie „Besuch in S.“
und das Folgeprojekt “In einer Bahnhofshalle steht ein Huhn (also Kunst
ist es bestimmt nicht)”
Links:
in memoriam Friedrich Kittler (1943 – 2011)
2) "23 ways to remember
silence, only one way to break it"
Übertragung in 5.1
Surround Sound

Foto: Georg Weckwerth

„23 ways to remember silence, but only 1 way to break it”
Auch im
zweiten Teil der Sendung geht es um Erinnerung. Zu hören ist das
Radiostück „23 ways to remember silence, but only 1 way to break it”
von David Moss. Der amerikanische Extremvokalist und Perkussionist war
im Sommer Artist-in-residence der Organisation TONSPUR im Wiener
MuseumsQuartier. Für die dortige TONSPUR-Passage, einen öffentlich
zugänglichen Durchgang zwischen zwei Höfen, hat er eine
Acht-Kanal-Soundinstallation gestaltet, die noch bis Ende November 2011
zu hören ist. David Moss nennt das Stück mit dem Titel „23 ways to
remember silence, but only 1 way to break it” eine Soundgeschichte
seiner Welt. Es ist ein lautes Nachdenken über „23 Arten, sich an
Stille zu erinnern“ und „eine, sie zu brechen“

Foto: Georg Weckwerth
„Alles, was du hörst, wird
durch dein Gedächtnis gefiltert. Kein andrer erschafft die Welt wie du
und keiner verfügt über denselben holografischen Speicher von Ort und
Zeit. „23 ways...“ ist hier, um deine Aufmerksamkeit zu erregen und die
Welt neu zu erschaffen mit Geschichten, Songs und Musik, die deine
Gedächtnisspeicher triggern und durchrütteln können. Gleich wirst du
eine Sound-Geschichte meiner Welt hören… Der Take-away-Service ist
kostenlos: Es ist dein Gedächtnis!“
(David Moss, August 2011)

Interview mit David Moss von Yannick Hofmann (englisch)

Foto: Yannick Hofmann
Konzept, Musik, Texte, Stimmen, Sprache: David Moss
(inkl. "Little Candy Story", unveröffentlichtes Stück von Hanno Leichtmann, Musik, und David Moss, Stimme/Text)
Aufnahmen und Radiomix: Robert Pavlecka, ORF
Dank an: Elisabeth Zimmermann, Georg Weckwerth & Peter Szely
(TONSPUR), Robert Pavlecka, Michael Rodach, Hanno Leichtmann, Hannes
Strobl, Ken Jacobs, Neuköllner Oper, Denseland, Roy Moss.
Links:
http://www.davidmossmusic.com
http://www.mqw.at/de/programm/detail/?event_id=6630&page=14&order_by=date_asc
http://www.tonspur.at

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