Prix Palma Ars Acustica heißt ein neuer Preis
für Radiokunst, der fortan jährlich an eine herausragende
Radiokunst-Produktion geht. Gegründet wurde der Preis von
Mitgliedern der EURORADIO Ars Acustica Gruppe, der Radiokunstgruppe der
Europäischen Rundfunkvereinigung EBU.
1) „Wind Icon/River Totem”
von Jorge Boehringer
Das vom tschechischen Rundfunk produzierte Stück „Wind
Icon/River Totem“ von Jorge Boehringer wurde mittels der
Programmiersprache Pure Data aus Sounds komponiert, die der
Künstler vor allem an einem bestimmten Ort an der Moldau
aufgenommen hat. Jorge Boehringer ist Amerikaner und lebt in Prag.
„Wind Icon/River Totem“ wurde heuer im Mai von der
Experten-Jury des Prix Palma Ars Acustica mit einer lobenden
Erwähnung bedacht.
„Ein Fluss ist nicht eine abgeschlossene Einheit, und genauso
wenig ist das der Wind. Außerdem: keiner der beiden ist reglos.
„Wind Icon / River Totem“ ist eine akusmatische
Soundkomposition, die durch die großzügige Einladung des
Tschechischen Rundfunks ermöglicht wurde.
Meine Zugangsweise ist eine hybride, um vielfältige Perspektiven
und Wahrnehmungen des Stücks zu ermöglichen, abgestimmt auf
die Natur, die Anregung und akustischen Grund für einen
großen Teil des Stücks brachte. Der Ort war eine Region
über und unter der Wasseroberfläche der Moldau, in der
Nähe der Vyton-Smichov Eisenbahnbrücke, auf der dem Vysehrad
gegenüberliegenden Flussseite.
Eine Menge der Sounds, die im Stück verwendet werden, wurden hier
aufgenommen, manche in Experimenten mit selbstgebastelten
Unterwassermikrophonen. Diese Sounds wurden analysiert und in der Folge
in einem granularen Prozess resynthetisiert. Dafür wurde die
Programmiersprache Pure Data verwendet. (…)
Viele Komponisten gehen mir mit dieser Arbeit voran, aber ich habe
besonders oft an Luc Ferraris „Presque rien“ denken
müssen, an Horatio Radulescu und die Installationsarbeiten oft
anonym bleibender Landschafts- und Sounddesigner, deren Kompositionen
aus Feldaufnahmen geschlossene botanische Gärten und
Gewächshäuser in Prag und der ganzen Welt bereichern.“
(Jorge Boehringer)
2) “Epiloghi - Sei modi di dire Zangtumbtumb“
von Arturas Bumšteinas

Foto: Strefa Monotype, 2012
Der Hauptpreis, dotiert mit 1.000 Euro, ging diesmal an eine
Radiokunst-Produktion von Deutschlandradio Kultur:
„Epiloghi“ von Arturas Bumsteinas. 1982 wurde der
Komponist, Klang- und Medienkünstler Arturas Bumšteinas in
Vilnius geboren. In seinem Stück nimmt er ein historisches
Schlüsselwerk der akustischen Kunst und Musiktheorie als
Ausgangspunkt. 1913 veröffentlichte Luigi Russolo das
futuristische Manifest "L'arte dei rumori" (Die Kunst der
Geräusche). Darin proklamierte er das Zeitalter der
Geräusch-Töne: Die Maschine hat "eine solche Vielfalt und
einen solchen Wettstreit von Geräuschen geschaffen, dass der reine
Ton in seiner Kargheit und Monotonie keine Gefühlsregungen mehr
hervorruft". Arturas Bumšteinas begibt sich auf die Suche nach
den Vorzeichen des Futurismus. Fündig wird er im Barock, wo
Schallautomaten Einzug ins Theater hielten, René Descartes den
menschlichen Körper zur Maschine erklärte, und die
temperierte Stimmung noch nicht allein über das Tonsystem
herrschte.
In „Epiloghi - Sei modi di dire Zangtumbtumb“ verbindet der
litausche Komponist Aufnahmen alter Theatermaschinen mit
Cembaloklängen und Russolos Intonarumori, dem
Geräuschtöner.

Foto: Arturas Bumšteinas
Mit der Regenmaschine des
Schlosstheaters Drottningholm, Schweden, erzeugte Arturas
Bumšteinas Geräusche für sein Stück "Epiloghi -
Sei modi di dire Zangtumbtumb".
Epilogue One. Desire 002.10 min.
Epilogue Two. Sadness 006.47 min.
Epilogue Three. Joy 011.24 min.
Epilogue Four. Hate 006.02 min.
Epilogue Five. Love 003.06 min.
Epilogue Six. Wonder 008.53 min.
Music recordings: Andreas Stoffels
Harpsichord maker: Markus Fischinger
Theatre history advisor: Viktoria Tkaczyk
Assistant: Neele Hülcker
Composition and realization: Arturas Bumšteinas
Produktion: Deutschlandradio Kultur 2013
***
Palma Ars Acustica – Neuer Preis für Radiokunst
von Elisabeth Zimmermann
Der Preis „Palma Ars Acustica“ wurde 2013 zum ersten Mal
vergeben. Ausgerichtet wurde dieser neu gegründete Wettbewerb
für Radiokunst von der EURORADIO Ars Acustica Gruppe der
Europäischen Rundfunkunion (EBU). Diese besteht seit 1989 aus
Redakteur/innen, die in ihren jeweiligen öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten Sendungen im Kontext der Radiokunst und Ars Acustica
produzieren und mit Künstler/innen aus allen Bereichen
zusammenarbeiten, um im Radio zu experimentieren und die Grenzen des
Mediums auszuloten. Das Ö1 Kunstradio zählt zu den
Gründungmitgliedern. Neben bilateralen Kooperationen vernetzen
sich die Ars Acustica Redaktionen jährlich bei internationalen
Kunst-Aktivitäten wie den weltweiten „Art’s Birthday
Parties“.
Gastgeber des heurigen Jahrestreffens der EBU Expert/innen-Gruppe in
Köln und der ersten Palma war das Kulturradio WDR 3 mit seiner
Sendung „Studio Akustische Kunst“. die ebenfalls
Gründungsmitglied der Ars Acustica Gruppe ist. Die Jury des mit
1.000 Euro dotierten Wettbewerbs bestand aus den anwesenden
Vertreter/innen elf europäischer Radiostationen.
Zum Gewinner wurde der litauische Komponist und Konzeptkünstler
Arturas Bumšteinas mit seinem Hörstück „Epiloghi
- Sei modi di dire Zangtumbtumb“ gekürt, die Produktion
wurde erstmals im März 2013 in der Sendung
„Klangkunst“ (Redaktion: Marcus Gammel) des
Deutschlandradio Kultur gesendet. Lobende Erwähnungen der Jury
gingen an zwei Produktionen der Sendereihe „rAdioCUSTICA“
des tschechischen Rundfunks für Michael J. Schumachers „The
Episodes“ und Jorge Boehringers „Wind Icon/River
Totem“.
Arturas Bumšteinas wurde 1982 in Vilnius geboren und studierte
an der dortigen Akademie für Musik und Theater. In seinem aus
sechs Miniaturen bestehenden Radiostück nimmt er neben Jacopo
Peris Oper Dafne das 1913 entstandene futuristische Manifest
„L'arte dei rumori“ („Die Kunst der
Geräusche“) von Luigi Russolo als Bezugspunkt, in dem
Russolo das Zeitalter der Geräusche proklamierte. Hundert Jahre
später begibt sich Arturas Bumšteinas auf die Suche nach
den Vorzeichen des Futurismus. Fündig wird er im Barock, als
Schallautomaten Einzug ins Theater hielten, René Descartes den
menschlichen Körper zur Maschine erklärte und die temperierte
Stimmung noch nicht allein über das Tonsystem herrschte.
Bumšteinas verbindet Aufnahmen alter Theatermaschinen mit
Cembaloklängen und Russolos Intonarumori
(Geräuschtöner): Affektgeladene Barockmusik trifft
futuristische Effektgeräusche.
Genau dieses Zusammentreffen von Gesang, Cembalo-Sounds und harschen Geräuschen lobte die Jury.
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